Es ist unser letzter Tag. Unser letzter Tag in Las Peñitas. Die letzten Stunden am Meer und am Pool. Das letzte Mal Gallo Pinto bei Bertha. Noch ein paar Augenblicke, bevor es weiter geht. Weiter auf unserer Reise. Weiter nach Granada.
Beim Frühstück bekommen wir von unserer Gastgeberin das Angebot, eine kleine Tour zu machen. In die Mangroven. In ein Naturschutzgebiet. Und der Möglichkeit, am Abend kleine Schildkröten ins Leben, ins weite Meer zu entlassen.
Wir schauen uns an. Wir überlegen. Ist das wirklich was für uns? Typische Touri-Abfertigung? Noch ein Schluck Kaffee und die Entscheidung ist gefallen. Ich sage einfach zu. Denn wir werden Babyschildkröten ins Leben helfen. 🙂
Am Nachmittag geht es los. Mit einem kleinen Boot. Geführt von einem einheimischen Fischer und seinem kleinen Sohn. Die beiden sind ein gutes Team. Sie navigieren uns langsam und bedacht. Entdecken immer wieder Vögel, Echsen, Spinnen und anderes Getier. Wir gucken. Wir suchen. Wir starren. Wir haben Mühe ihnen zu folgen. Gut getarnt bleiben die Tiere oft vor unserem ungeübten Auge verborgen.
Und dann legen wir an. Noch ein paar Meter bis zur Aufzuchtstation. Hier werden die kleinen Schildis in Sicherheit ausgebrütet und dann… Ja dann werden sie an ihrem großen Tag einer Horde von Touristen präsentiert. Hm. Es ist befremdlich für uns. Aber es bringt Geld. Geld für das Reservat Isla Juan Venado. Geld für die Menschen. Gehen die Nicas sehr respektvoll mit den Tieren um, positionieren manche Touris die kleinen Lebewesen immer wieder neu vor ihrer Linse. Foto um Foto. Hoffentlich ist es bald vorbei.
Als die Sonne schließlich langsam untergeht, bekommen Nadine und ich jeder ein Schildkrötenbaby. Wir haben Glück. Denn es gibt nicht für jeden eine. Fehlkalkulation… Wir taufen das eine Baby Michelangelo und das andere aufgrund seiner Größe Picolito. Und dann begleiten wir sie auf ihren letzten Metern zum Meer und damit zur großen Freiheit.
Behutsam setzen wir die beiden in den Sand. Ganz nah ans Wasser. Doch den Rest müssen sie selbst schaffen. Gespannt beobachten wir jeden Mini-Schritt, den die Kleinen mit ihren großen Patsche-Flossen voran kommen. Jede Welle kann die große Erlösung bringen. Oder aber die Distanz zum Meer wieder vergrößern. Es ist ein Hin und Her.
Während Michelangelo schon nach zwei Wellen hinfortgespült wurde, kämpft der kleine Picolito mit den Naturgewalten. Die Sonne brennt trotz des tiefen Standes erbarmungslos. Picolito wirkt schlapp. Macht eine Pause. Wartet er? Lauert? Lauert auf seine Chance? Lauf Picolito, lauf!
Ein paar Tropfen Wasser auf das kleine Tier lassen Picolito wieder erwachen. Schrittchen um Schrittchen geht es wieder vorwärts. Bis, ja bis die erlösende Welle kommt und ihn mitnimmt. Sie nimmt ihn mit und hat ihm gleich eine wichtige Lektion für das Leben gezeigt: Nicht aufgeben. Dran bleiben. Die perfekte Welle kommt. Vielleicht nicht sofort. Aber sie kommt. Bestimmt!